!!!ACHTUNG!!!
Umweltchemikalie PFC in Wildschweinlebern nachgewiesen
Umweltministerium empfiehlt Verzicht auf Verzehr von Wildschweinleber
„Aktuelle Untersuchungen des Hessischen Landeslabors (LHL) haben Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) in Lebern von Wildschweinen nachgewiesen. Diese gelangen üblicherweise nicht in den Handel, sondern werden privat im Haushalt der Jägerinnen und Jäger verzehrt. Aufgrund der Befunde, empfehlen wir derzeit auf den Verzehr von Wildschweinleber zu verzichten. Diese Ergebnisse sind bedauerlich, aber leider auch nicht überraschend. Wir hatten bereits im vergangenen Jahr das Thema PFC auf die Tagesordnung der Umweltministerkonferenz gesetzt. Gemeinsam mit den anderen Ländern haben wir die EU aufgefordert, die gesamte Stoffgruppe der PFC in allen Anwendungsbereichen konsequent zu beschränken. Die aktuellen Untersuchungen des LHL zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht“, sagte Umweltministerin Priska Hinz in Wiesbaden.
Bislang wurden sieben Wildschweinleberproben aus verschiedenen hessischen Landkreisen untersucht. In allen untersuchten Leberproben wurden PFC nachgewiesen. Hinsichtlich dieser Befunde kann ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Verzehr von Wildschweinlebern nicht ausgeschlossen werden. Auch in anderen Bundesländern wurden ähnliche Befunde festgestellt. „Das LHL wird nun weitere Untersuchungen vornehmen, damit wir die Belastungssituation insgesamt besser einschätzen können“, erklärte Hinz.
Die Abkürzung PFC steht für per- und polyfluorierte Chemikalien. Sie werden auch als PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) bezeichnet. PFC sind künstlich hergestellte Substanzen, die aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften in der Industrie sowie in privaten Haushalten zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel bei Beschichtungen von Regenjacken. Gerade bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung von Verbraucherprodukten werden PFC auch in die Umwelt abgegeben. Weil sie extrem stabil sind, können sie in der Umwelt nicht oder nur unvollständig abgebaut werden und sind mittlerweile überall nachweisbar – auch in den hessischen Wäldern. Sie werden hier leider auch von Tieren mit der Nahrung aufgenommen.
Hintergrundinformationen zu PFC/PFAS bei Wildschweinen:
Welche Ergebnisse sind von hessischen Untersuchungen bisher bekannt?
Im Rahmen eines hessischen Wildschwein-Monitorings in den Jahren 2007 bis 2009 hat der LHL insgesamt 506 Proben Wildschweinmuskelfleisch und 529 Proben Wildschweinlebern auf das Vorkommen von PFAS bzw. PFC untersucht. Im Muskelfleisch wurden PFOA-Gehalte bis zu 7,4 µg/kg und PFOS-Gehalte bis zu 28,6 µg/kg festgestellt. In den Wildschweinleberproben wurden PFOA-Gehalte bis 45 µg/kg und PFOS-Gehalte bis 1.780 µg/kg nachgewiesen. Es war erkennbar, dass in den meisten Lebern deutlich erhöhte Werte vorliegen. Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (tolerable daily intake = TDI) basierend auf Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) lag zu diesem Zeitpunkt deutlich höher. Für PFOA bei 1,5 µg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag und für PFOS bei 0,15 µg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.
Im September 2020 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Stellungnahme zur Neubewertung der gesundheitlichen Risiken durch PFAS in Lebensmitteln veröffentlicht, in der neben PFOA und PFOS zusätzlich Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) in die Expositionsschätzung und die gesundheitliche Bewertung einbezogen wurden.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2020.6223
Als tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (tolerable weekly intake = TWI) wurde ein Wert von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Woche für die Summe von PFOA, PFOS, PFNA und PFHxS abgeleitet. Somit liegt die tolerierbare Aufnahmemenge nun um ein Vielfaches niedriger als noch z.B. im Jahr 2009.
Aufgrund der bekannten Belastungssituation von Wildschweinen mit PFC in Verbindung mit der Absenkung des tolerierbaren Aufnahmewertes (TWI), hat der LHL seit September 2020 erneut Wildschweinproben angefordert und untersucht, um ein mögliches gesundheitliches Risiko für den Verbraucher durch den Verzehr abschätzen zu können.
Die Ergebnisse waren deutlich erhöht, so dass im Interesse eines vorbeugenden Verbraucherschutzes zur Reduzierung der persönlichen PFC- bzw. PFAS-Aufnahme vom Verzehr dieser Wildschweinlebern abgeraten werden muss.
Wie sieht die Situation in den anderen Bundesländern aus?
Eine Nachfrage in Baden-Württemberg hat ergeben, dass dort ähnliche Befunde festgestellt wurden. Dies führte dazu, dass alle Wildschweinlebern aus dem aktuellen Untersuchungsprojekt des CVUA Freiburg, unabhängig von ihrer Herkunft, aufgrund der PFC-Belastung als „nicht verkehrsfähig“ beurteilt wurden. Dort wurde seit Oktober 2019 vom Verzehr von Wildschweineinnereien abgeraten, aber der Verzehr von Wildschweinfleisch wird hinsichtlich der PFC-Belastung eher als unbedenklich eingestuft:
https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=3&Thema_ID=5&ID=3061&lang=DE&Pdf=No.
In Bayern hat der Bayrische Jagdverband im Februar 2020 aufgrund einer Empfehlung des LGL (https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/pfas/ue_2010_pft_lebensmittel_wild_sonstigesbayern.htm)
eine ähnliche Verzehrswarnung veröffentlicht:
https://www.bjv-ffb.de/chemie
Wie werden PFC/PFAS im Körper aufgenommen und angereichert?
PFC liegen im menschlichen und tierischen Organismus überwiegend proteingebunden vor und reichern sich bevorzugt in proteinreichen Geweben wie Innereien (v.a. Leber) an. Tierische Lebensmittel (insbesondere Innereien und aquatische Produkte) können daher in der Regel stärker belastet als Wasser und Pflanzen sein. PFC können aber auch in Wasser, Obst und Getreide in geringeren Konzentrationen nachweisbar sein. Daher soll jetzt auch die Belastung der Futtermittel bundesweit untersucht werden. Eine neu gegründete Bund-Länder-Arbeitsgruppe tagt in dieser Woche zu diesem Thema.
Warum besteht beim Verzehr ein gesundheitliches Risiko?
Toxikologische Studien der EFSA ergeben deutliche Hinweise auf eine negative Beeinflussung des Leberstoffwechsels (erhöhte Leberwerte) und neurotoxische Effekte. Da die Substanzen auch über die Muttermilch weitergegeben werden, konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass sie bei Kleinkindern eine reduzierte Antikörperantwort bei Impfungen bewirken. Aufgrund dieser Befunde hat die EFSA den TWI im September 2020 drastisch abgesenkt, wodurch die umweltbedingte Belastung der Wildschweinlebern jetzt dazu führt, dass diese Empfehlung im Interesse des vorbeugenden Verbraucherschutzes ausgesprochen werden muss.
Wie gelangen die PFC/PFAS-Kontaminationen in die Umwelt?
Grundsätzlich werden PFC über verschiedene Pfade in die Umwelt eingetragen. Durch die Abluft von Industriebetrieben können PFC in umliegende Böden und Gewässer eingelagert werden. Mögliche Quellen: Papierhersteller, Anlagen zur Beschichtung und Oberflächenveredelung, Ersatzbrennstoff-, Rückstands- und Klärschlammverbrennungsanlagen sowie Anlagen zur (Zwischen-)Lagerung und Behandlung (Brechen) von PFC-haltigen mineralischen Abfällen. Es gibt zudem PFC-haltige Löschschäume bei Feuerwehren, in Sprinkleranlagen, auf Löschübungs- und Brandplätzen sowie in Löschmittel-Lageranlagen.
PFAS/PFC können auch an Partikel anhaften und so über weite Strecken in der Luft bis in entlegene Gebiete transportiert werden. Über Regen und Schnee gelangen PFC aus der Luft wiederum in Böden und Oberflächengewässer. PFC gelangen auch über das Abwasser in Kläranlagen und so in die Oberflächengewässer. Für perfluorierte Verbindungen sind keine biologischen Abbauvorgänge bekannt; polyfluorierte Verbindungen können in der Umwelt nur bis zu ihrem perfluorierten Rest abgebaut werden. Einmal freigesetzt, werden sie für bis zu 1.000 Jahre in der Umwelt verbleiben. Umweltbundesamt 2020: Schwerpunkt 1-2020: PFAS. Gekommen, um zu bleiben. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/schwerpunkt-1-2020-pfas-gekommen-um-zubleiben )
Wie sieht die PFC/PFAS- Belastung bei anderen Wildtieren aus?
Im Gegensatz zu Wildschweinen, die Allesfresser sind (omnivore Ernährungsweise) und Nahrung häufig aus dem Boden aufnehmen, handelt es sich bei den anderen Wildsäugetieren, die bejagt werden (Rotwild, Damwild, Rehwild, Feldhase) um reine Pflanzenfresser (herbivore Ernährungsweise). Die nachfolgend in der Tabelle dargestellten Daten des LGL Bayern für Proben von Wild außer Wildschwein bestätigen, dass Wildsäugetiere, die sich ausschließlich von Pflanzen ernähren, weniger PFC im Körper anreichern als die omnivoren Wildschweine. (https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/pfas/ue_2010_pft_lebensmittel_wild_sonstigesbayern.htm).
Es ist daher zu erwarten, dass der LHL bei den seit Januar 2021 beauftragten Untersuchungen anderer Wildarten zu ähnlichen Ergebnissen kommen wird.
Wie ist mit der Leber zu verfahren, nachdem ein Wildschwein erlegt worden ist?
Die Wildschweininnereien sollten unschädlich beseitigt werden (z.B. geruchsdicht verpackt über die Restmülltonne oder die Müllverbrennung, größere Mengen über die Tierkörperbeseitigung der SecAnim GmbH). Sie dürfen keinesfalls in der Natur belassen werden oder zur Bestückung eines Luderplatzes verwendet werden, um eine weitere Anreicherung der Rückstände in der Umwelt und in der Nahrungskette zu verhindern.